Wie es dann weitergeht, steht derzeit noch in den Sternen, erfuhren die Sozialdemokraten von Projektleiter Erwin Beier im Schulrestaurant der Bebel-Schule. „Es ist eins der größten Projekte dieser Art in Deutschland, da sind einige Ideen und Elemente zusammengekommen", erklärte Beier das im Februar 2009 in Leben gerufene Modell. Zum einen gibt es da das Schulrestaurant und die Cafeteria „Flamingo", die von den neu eingestellten beiden Köchen und vier Küchenhelfern sowie drei ehemaligen Schülern der Bebel-Gesamtschule, die nun dank der Kooperation mit drei Ausbildungsbetrieben aus der Gastronomie den Beruf des Kochs lernen können, bewirtschaftet wird. Ein Mädchen habe zwischenzeitlich die Ausbildung abgebrochen, berichtete die für die Ausbildung und Qualifizierung im Schulrestaurant zuständige Angela Greiling. Die drei übrigen „Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf" waren derweil mit Feuereifer bei der Sache, galt es doch, die zum Essen ins Schulrestaurant eingeladenen SPD-Fraktionsmitglieder zu bewirten, nachdem alle Schüler verköstigt waren.
Die Gäste konnten sich dabei von einer weiteren Besonderheit überzeugen, dem von Beier als „gesund und regional" charakterisierten Speisenangebot: Bei Einkauf und Zubereitung werden nämlich fast ausschließlich regionale, saisonale und Bio-Produkte verwendet, die die Projektbeschäftigten täglich frisch zubereiten. „Das ist den Schülern gegenüber teilweise schwer durchzusetzen, aber wir halten durch", erläuterte der Projektleiter den Fraktionsmitgliedern. Im Schulrestaurant gibt es täglich zwei Menüs und ein Büfett mit frischen Salaten, im „Flamingo" ein gesundes Frühstück und einen kleinen warmen Mittags-Snack sowie beispielsweise auch Bio-Schulmilch.
„Die Kinder lernen hier auch essen", äußerte sich Schulleiter Friedbert Wegerle begeistert über das Küchenteam und das Konzept. Verschiedene Klassen der rund 760 Schüler starken Gesamtschule kämen regelmäßig geschlossen zum Essen an einen Tisch und würden dann auch mit Schüsseln anstelle Tellerportionen versorgt, berichtete er: „Das ist kein Ort nur zum Essen." 800 bis 900 Mahlzeiten pro Woche werden im zum Schulrestaurant umgebauten ehemaligen Bürgerhaus von Niedergirmes ausgegeben, erfuhren die Sozialdemokraten.
Zweiter Schwerpunkt ist die sogenannte Erweiterte vertiefte Berufsorientierung (EVB), die Sheila Smith vorstellte. In Kleingruppen werden hier Schüler aus den Klassen 7 bis 9 gefördert, die besondere Unterstützung brauchten, erklärte Smith: „Die Schule hört irgendwann auf, und wir versuchen die Angst davor zu nehmen und die Stärken der Kinder zu finden", sagte sie: „Ganz wichtig ist eine gute Praktikumsstelle." Für die Berufsorientierung würden vor allem Randstunden genutzt, damit die Schüler möglichst wenig Unterricht versäumen. Wichtiger als gute Noten sei aber für viele mögliche Arbeitgeber, dass die Jugendlichen Einsatz zeigten und einen guten Eindruck machten, berichtete Smith. Anke Hartmann, selbst als Pädagogin tätig, lobte diese Form der Vorbereitung in einem geschützten Raum. „Es ist wichtig, früh ein Bewusstsein für die eigene Zukunft zu schaffen", meinte sie.
Außerdem gibt es als dritte Säule des Projekts die Fahrradwerkstatt in Niedergirmes, in der ein Zweiradmechaniker-Meister mit zwei Mitarbeitern allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Hilfe beim Reparieren ihrer Fahrräder anbietet. Die dafür notwendigen Werkzeuge werden zur Verfügung gestellt. Normalerweise zweimal wöchentlich gebe es eine „offene Werkstatt" sowie unregelmäßig verschiedene Kursangebote und Aktionen, verdeutlichte Beier den Gästen.
Finanziert wird das Projekt „Chancen in Niedergirmes" durch das Förderprogramm „BIWAQ" - das ist die Abkürzung für „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" - des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und den Europäischen Sozialfonds (ESF). Gemeinsam stellen Staat und ESF fast eine Million Euro zur Verfügung, ein weiteres Drittel der Projektkosten kommen vom JobCenter, dem Lahn-Dill-Kreis und der Arbeitsagentur. Außerdem hat die Stadt Wetzlar sich mit 60 000 Euro für den Umbau einer alten Scheune zur Fahrradwerkstatt an dem Projekt beteiligt. Projektträger ist der Internationale Bund, der nach eigenen Angaben mit mehr als 12 000 Mitarbeitern in 700 Einrichtungen an 300 Orten jährlich über 350 000 Jugendliche und Erwachsene unterstützt und ihnen mit verschiedenen Dienstleistungen und Serviceangeboten bei der persönlichen und beruflichen Lebensplanung hilft. Dass das auch nach Auslaufen der Förderung im Oktober 2012 sichergestellt werden kann, war der große Wunsch von Projektleiter Erwin Beier an die SPD-Kreistagsfraktion.