INTEGRATION
Neue Unterkunft für Asylbewerber in Dillheim / Verein kümmert sich
VON STEFFEN GROSS
Ehringshausen. Seit Montag hat der Ortsteil Dillheim acht neue Einwohner. Für wie lange, weiß noch niemand. Es sind Flüchtlinge aus Pakistan, dem Irak und aus Serbien. Sie sind die ersten
Bewohner einer neuen Unterkunft, die erst vor kurzem vom Lahn-Dill-Kreis
angemietet wurde. Negative Reaktionen gab es keine, zuletzt haben sich die Nachbarn sogar auf „die
Neuen" gefreut.
Wir fühlen uns hier sehr wohl." Liman Murina strahlt. Er ist heilfroh, für seine Frau und seine vier Kinder
im Alter zwischen acht und 16 Jahren einen Platz gefunden zu haben. „Wohngemeinschaft" nennt der
Lahn-Dill-Kreis die Unterkunft für bis zu 16 Flüchtlinge.
Eigentlich ist es ein Mehrfamilienhaus mit vier Mietwohnungen, auf jedem Stockwerk 100 Quadratmeter.
Alles frisch renoviert.
Dafür hat der neue Eigentümer Frank Schmidt gesorgt. Der Malermeister hat das Haus, das vergangenes Jahr zur Zwangsversteigerung anstand und sich in üblem Zustand befand, gekauft,von Grund auf saniert, mit neuen Möbeln eingerichtet und dem Kreis als Flüchtlingsunterkunft angeboten. „Keinesfalls
des Geldes wegen", betont Schmidt, sondern weil er Christ sei. Nach allen Kosten sei es ohnehin fraglich,
ob unterm Strich etwas übrig bleibe.
Nachbarn wurden zur Feier eingeladen und freuten sich danach auf die „Neuen"
Der 37-jährige Liman Murina bewohnt mit seiner Familie die Wohnung im ersten Stock. Sie sind Roma und
haben am 23. November ihre Heimatstadt Novi Sad in Serbien verlassen – in der Hoffnung auf eine bessere
Zukunft in Deutschland. In Serbien seien sie als Roma diskriminiert worden, klagt Liman Murina. Zuletzt habe er deswegen auch keinen Job mehr bekommen. Dass die Murinas auf Dauer in Deutschland bleiben dürfen, ist jedoch unwahrscheinlich.
Serbien gilt als sicherer Drittstaat, das macht jedes Asylverfahren nahezu aussichtslos.
Bessere Chancen haben dagegen die vier Frauen und Männer aus Pakistan und dem Irak, die ein Stockwerk
höher eingezogen sind.
In Dillheim sieht alles nach einem Paradebeispiel für Integration aus. Überzeugt davon ist auch die SPD-Kreistagsfraktion, die am Dienstagabend zu Besuch ist – um sich ein Bild von der Unterkunft zu machen und den Verein „Fremde sind Freunde" kennenzulernen. Dessen Gründungsantrag liegt zwar noch beim Amtsgericht, dennoch wurde schon viel bewegt. Es ist ein Pilotprojekt.
Davon berichtet Gründungsmitglied Jürgen Keiner.
Ziel von „Fremde sind Freunde" sei, Beziehungsarbeit zu leisten – nicht nur für die aktuell 108 Flüchtlinge,
die inEhringshausenin sechs Häusern leben, sondern auch für die 150 im benachbarten Aßlar. Ihnen werden Freizeit-und Sportangebote gemacht, außerdem zusätzliche Sprachkurse, die die 200- Stunden-Kurse, die der Kreis zur Verfügung stellt, ergänzen.
Es geht auch darum, Lücken bei der Begleitung der Flüchtlinge zu schließen. Denn die sieben Sozialarbeiter,
die der Kreis momentan für die 1308 Flüchtlinge in rund 70 Unterkünften im Kreisgebiet beschäftigt, reichen
bei weitem nicht aus.
Das ist auch Stephan Aurand (SPD) als Hauptamtlichem Kreisbeigeordneten klar. Doch die Chancen auf
eine bessere Personalaustattung stünden schlecht, sagt er. Zum einen, weil dem Lahn-Dill-Kreis fünf Millionen Euro in seinem Haushalt fehlten, zum anderen, weil der Arbeitsmarkt der Sozialarbeiter
geradezu leergefegt sei. Dennoch will Aurand auf jeden Fall an der dezentralen Unterbringung
und Betreuung der Flüchtlinge – zwei Drittel von ihnen leben in Südkreis-Gemeinden, ein Drittel im alten
Dillkreis – festhalten.
Diese sei zwar arbeitsintensiver, dafür umso erfolgreicher bei der Integration.
Intensive Betreuung ist gerade zum Einzug rund um die Uhr gefragt
Zum Einzug der neuen Bewohner in das Haus in Dillheim hat der Verein „Fremde sind Freunde" die Nachbarn
zur Willkommensparty eingeladen. Andere Asylbewerber aus Ehringshausen haben geholfen und die Bewirtung der Gäste übernommen, berichtet Keiner.
Der direkte Kontakt habe auch die letzten Skeptiker überzeugt. Die Nachbarn hätten sich anschließend auf
die Ankunft der „Neuen" sogar gefreut.
Zwei Vereinsmitglieder betreuen die Flüchtlinge in Ehringshausen und Aßlar seit vergangenen Sommer ehrenamtlich:
Sozialarbeiter Tobias Kiebel und Mathew Mayadenu, der vor 20 Jahren selbst als „Fremder" aus West-Nigeria nach Deutschland kam. Seine Herkunft sei von Vorteil für die Integrationsarbeit sagt er. Vor allem zu Asylbewerbern aus Afrika finde er stets schnell einen vertrauensvollen Zugang. Tobias Kiewel bewohnt in
Dillheim die unterste der vier Wohnungen in der neuen Unterkunft. Das hat sich gerade in den ersten Tagen nach dem Einzug der Flüchtlinge als äußerst hilfreich erwiesen.
Der 37-jährige Sozialarbeiter berichtet von 24-Stunden-Schichten. Oft geht es dabei um einfachste Hilfestellungen für die Menschen, die meist nur mit zwei mit dem Nötigsten gefüllten blauen Müllsäcken anreisen:
Wie ein Bett beziehen? Wie eine Heizung bedienen? Wo kann man wie einkaufen?
Und ähnliches mehr...
Quelle: WNZ, Fotos: Gross